Corpus Delicti
Juli Zeh
Regie: Ensemble
Nehmen Sie eine angenehme Sitzposition ein, halten Sie den Rücken gerade und den Kopf aufrecht. Achten Sie darauf, dass Ihre Ohren nicht bedeckt und Ihre Sicht nicht behindert ist. Nun können Sie Ihren Theaterbesuch genießen!
Nachdem in der Vergangenheit Themen wie Schizophrenie oder alte Damen behandelt wurden, ist dieses Jahr die Diktatur der Vernunft dran.
Im Drama „Corpus Delicti“ von Juli Zeh herrscht scheinbar nur die Vernunft. In der dystopischen Zukunftsgesellschaft, die von der Autorin beschrieben wird, ist alles sauber, rein und von der Methode geregelt. Krankheit existiert nur noch in den Geschichtsbüchern und Schmerzen sind den Menschen unbekannt. Dafür müssen Schlaf- und Ernährungsberichte abgegeben und das Sportpensum erfüllt werden. Die Gesundheit ist zur höchsten Bürgerpflicht geworden. Mia, die Protagonistin des Stücks, zweifelt keine Sekunde an diesem System, bis - ja, bis ihr Bruder, ein Idealist, angeklagt wegen einer Vergewaltigung, sich umbringt und die ideale Geliebte, ein Geschenk ihres Bruders, erscheint. Doch statt Ruhe und Frieden zu finden und den Schmerz ihres Verlustes zu überwinden, überschlagen sich die Ereignisse. Sie wird zum anfangs ungewollten Spielball zwischen den Gegnern und den Beschützern des Systems. Ein verzweifelter Anwalt treibt sie aus Liebe in einen aussichtslosen Prozess. Doch das Gesicht der Methode, der charmante Journalist Heinrich Kramer, lässt mit seiner Logik und Rhetorik keinen Raum für andere Optionen. Liebe, Verstand und ein Übermaß an geistiger Unabhängigkeit machen Mia zu einem höchst gefährlichen Subjekt in diesem System. Doch ist sie das auch wirklich? Auch wenn die Vernunft einen zu einer Instanz ohne Entscheidungsmöglichkeit macht: Mia muss sich entscheiden. Für ein Leben mit der Methode, die angebliche Herrschaft des Verstandes oder die Liebe zu Ihrem Bruder, das Denken des Herzens.